Mietpreisbremse – Bilanz nach zwei Jahren
Seit mehr als zwei Jahren ist in Köln die Mietpreisbremse in Kraft getreten. Was hat sie bisher bewirkt? Wir haben dazu die Rechtsanwälte Dr. Norbert Wilke und Sebastian Thierolf, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht von der Kanzlei Dr. Wilke Rechtsanwälte aus Köln befragt.
"Die Mietpreisbremse bleibt wirkungslos und stiftet nur Unfrieden zwischen den Vertragsparteien"
55% der Bevölkerung in Deutschland wohnt zur Miete. Deutschland hat die niedrigste Wohn-Eigentumsquote der EU. Zum 01.07.2015 wurde in Köln die sog. Mietpreisbremse eingeführt. Können Sie kurz beschreiben, was die Mietpreisbremse bezweckt und regelt?
Dr. Wilke: Die Großstädte und Ballungszentren in Deutschland haben in den letzten Jahren einen hohen Zuzug und Bevölkerungsanstieg erfahren. Da gleichzeitig nicht genügend neuer Wohnraum geschaffen wurde, um die steigende Nachfrage zu decken, sind Mietwohnungen zu einem knappen Gut geworden und die bei einer Neuvermietung erzielbaren Mietpreise merklich angestiegen.
Die Mietpreisbremse will dieser Entwicklung entgegenwirken. Im Grundsatz soll in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt die Miete zu Vertragsbeginn nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen dürfen. Der Bundesgesetzgeber hat die Landesregierungen ermächtigt, die Gebiete mit angespanntem Wohnraum zu bestimmen.
Anschließend hat unsere damalige Landesregierung die sogenannte Mietpreisbegrenzungsverordnung NRW beschlossen. In dieser Verordnung wurde festgelegt, dass die Mietpreisbremse in insg. 22 Städten u.a. auch Köln und Frechen gelten soll.
Mietspiegel für Frechen liefert nur sehr grobes Raster
Die Mietpreisbremse knüpft also an die „ortsübliche Vergleichsmiete“ an. Herr Thierolf, können Sie erklären, wie diese ermittelt wird?
Thierolf: Das ist leider nicht so leicht, wie die Gesetzesreform vorgibt, und führt oft zu Streitigkeiten. Als Orientierungshilfe halten die meisten Gemeinden eine alle zwei Jahre überarbeitete Übersicht vor, den sog. Mietspiegel. Allerdings werden nur Wohnungen und nicht auch Einfamilienhäuser vom Mietspiegel erfasst.
Der Mietspiegel von Frechen zum Beispiel ist gerade einmal zwei Seiten stark und liefert selbstredend nur ein grobes Raster. Bspw. ist er für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete weiter Teile von Königsdorf nicht brauchbar, da das dortige Mietniveau deutlich außerhalb der Preisspannen liegt, die der Frechener Mietspiegel ausweist.
Auch wird oft um die richtige Kategorisierung gestritten, etwa ob es sich um eine einfache, mittlere oder gute Wohnlage handelt. Gerade weil die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete so schwierig ist und Sachverstand erfordert, können hierzu vor Gericht geführte Streitigkeiten nur über die Einholung eines teuren Gutachtens geklärt werden.
Vermieter ignorieren Mietpreisbremse
Demzufolge ist die Umsetzung der Reform für die Vertragsparteien kompliziert, streitträchtig und mitunter teuer. Herr Dr. Wilke, erreicht das Gesetz denn dann wenigstens den angestrebten Zweck?
Dr. Wilke: Das ist gerade nicht der Fall. Zunächst einmal wurden etliche Ausnahmetatbestände normiert, bei denen keine Begrenzung gilt. Ferner wird das Gesetz von den meisten Vermietern ignoriert, zum Teil aus Rechtsunkenntnis, zum Teil aus Überforderung, die ortsübliche Vergleichsmiete zu bestimmen.
Selten verstoßen Vermieter bewusst gegen die Vorschriften zur zulässigen Miethöhe. Da aber selbst ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Mietpreisbremse sanktionslos bleibt, gehen Vermieter durch die Missachtung der Vorschrift ohnehin kein allzu hohes Risiko ein.
Mietpreisbremse stiftet Unfrieden
Herr Thierolf, wie sieht es denn auf Mieterseite aus?
Thierolf: Auch die Mieter kommen nur vereinzelt auf die Idee, die Zulässigkeit der vereinbarten Miethöhe in Frage zu stellen und Rechtspositionen hieraus herzuleiten. Dies hängt einerseits ebenfalls mit Rechtsunkenntnis und der beschriebenen Überforderung zusammen, andererseits aber auch damit, dass die meisten Mieter auf eine konfliktfreie Beziehung zum Vermieter Wert legen und sich mit diesem nicht gleich von Vertragsbeginn an zerstreiten wollen.
Die Mietpreisbremse stellt die Verbindlichkeit individuell ausgehandelter Verträge in Frage und stiftet Unfrieden zwischen den Parteien des in aller Regel auf Dauer und gegenseitiges Vertrauen angelegten Mietvertrages.
Vermieter wollen langfristige Mieter
Bedürfen denn die Mieter keines weiteren Schutzes, Herr Dr. Wilke?
Dr. Wilke: Die Mieter waren und sind vor unangemessen hohen Mietentgelten bereits durch die Verbotsnormen in § 5 WiStrG (Mietpreisüberhöhung) und § 291 StGB (Mietwucher) geschützt. Auch diese Vorschriften waren in der Vergangenheit kaum von praktischer Relevanz.
Dem Gros der Vermieterschaft liegt es fern, ihre Mieter mit wucherisch hohen Mieten auszupressen. Sie wünschen sich Mieter, die möglichst langfristig am Vertrag festhalten und pünktlich ihre Miete zahlen. Hierzu wird es aber nur dann kommen, wenn die Mieter einen fairen Mietpreis zahlen, der sie finanziell nicht überfordert, und auch sonst mit dem Vermieter zufrieden sind.
Keine Zukunft in NRW für die Mietpreisbremse
Welche Zukunft sagen Sie der Mietpreisbremse voraus, Herr Thierolf?
Thierolf: Keine. In NRW dürfte die Mietpreisbremse noch nicht einmal eine Gegenwart haben. Das AG Köln hat kürzlich mit überzeugender Begründung entschieden, dass die noch von der damaligen Landesregierung 2015 „mit heißer Nadel gestrickte“ Mietpreisbegrenzungsverordnung den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht wird und formal unwirksam ist, mit der Konsequenz, dass die Vorschriften zur Mietpreisbegrenzung in Köln nicht zur Anwendung kommen. Die jetzige Landesregierung hat bereits angekündigt, die Verordnung weder novellieren noch über Juni 2020 verlängern zu wollen.
Vielen Dank für das Gespräch